DeLL im Schuljahr 2019/2020
Jugend und Politik im Dialog. Persönliche Begegnungen - spannende Gespräche - bleibende Erfahrungen
Treffen mit Doris Leuthard, Bundesrätin
Im Verlauf des sehr interessanten Treffens mit Doris Leuthard, Bundesrätin 2006-18 und Bundespräsidentin 2010 und 2017, stellten Schülerinnen und Schüler der fünften Klassen der Kantonsschule Reussbühl Frau Leuthard verschiedene Fragen zu ihrer Biographie, ihrem Werdegang und ihren politischen Ansichten (zum Verhältnis Schweiz-EU, zur Klimapolitik und zur Rolle von Frauen und Männern in der Politik). Diese Fragen waren der Ausgangspunkt für eine lebhafte Diskussion, in deren Vorfeld Geschichtslehrer Christian Fallegger die ehemalige Bundesrätin als eine wichtige, gestaltende Persönlichkeit in der Europapolitik der Schweiz vorgestellt hatte. Nina Morais sagte später zum Treffen mit Frau Leuthard: «Das Treffen mit der ehemaligen Bundesrätin Doris Leuthard war eine sehr spannende und aufregende Erfahrung. Sie antwortete auf alle unsere Fragen stets ehrlich und klug. Interessante Erfahrungen als Bundesrätin, wie ihr Alltag damals aussah und funktionierte, waren zu erfahren.»
Fragen und Antworten
Frage von Nina Morais: «Als Schülerinnen stellt sich uns natürlich die Frage, ob Sie als Jugendliche Ihren Karriereweg schon immer gesehen haben. Wollten Sie schon als junge Frau (Gymnasiastin) Bundesrätin werden? Und: Wie kamen Sie zu diesem Beruf?»
Antwort von Doris Leuthard: Nein, sie habe als Gymnasiastin noch nicht Bundesrätin werden wollen. Ihr Vater sei aber auch schon politisch tätig gewesen und sie habe Zuause oft mit ihm über Politik diskutiert. Ihr Beruf als Anwältin habe nicht direkt zur Politik geführt. Einige kleinere Ämter, in denen es Juristinnen gebraucht habe, hätte ihre Politkarriere ausgelöst.
Frage von Soraya Camenzind: «Würden Sie sich die Schweiz in der EU wünschen?»
Antwort von Doris Leuthard: Nein, einen EU-Beitritt der Schweiz wünsche sie sich nicht. Zum einen würde die Schweiz an Neutralität verlieren und zum anderen müsste die Schweiz auch die Direkte Demokratie abgeben. Die Schweiz wäre zu stark von der EU abhängig und könnte nicht schnelle Entscheidungen fällen, wie das jetzt der Fall ist. Frau Leuthard könnte sich auch nicht vorstellen, den Schweizer Franken in den Euro umzutauschen.
Frage von Lisa Kocher: «Wäre es aus Ihrer Sicht schlimm, wenn die Schweiz den Rahmenvertrag nicht unterschreiben würde? Was wären die Konsequenzen einer Nichtunterschrift des Rahmenabkommens?»
Antwort von Doris Leuthard: Schweizer Unternehmen würden Konkurs gehen. Sie müssten ihren Standort in die EU verlegen oder sich mehr nach Westen (USA) und Osten (China) ausrichten. Unser Wohlstand würde nicht von einem Tag auf den anderen sinken, aber mit der Zeit schon.
Frage von Laura Löffler: «Denken Sie, dass die Schweiz an Souveränität verliert, wenn sie das Rahmenabkommen annimmt?»
Antwort von Doris Leuthard: Die Schweiz würde an Souveränität verlieren, aber es sei trotzdem wichtig, das es angenommen werde. Es gäbe ohne die Bilateralen 1 und 2 viel zu viele Nachteile, deshalb sollte das Abkommen definitiv angenommen werden.
Umwelt-Themen
Es wurden auch Fragen zum Thema Klima/ Umwelt/ Verkehr gestellt und damit Frau Leuthard als Dienststellenleiterin des UVEK angesprochen. Die Klassen haben sich bei der Vorbereitung auch mit Klimapolitik beschäftigt; zudem sind junge Lernende in der Klimabewegung mit dabei.
Frage von Erin Häfliger: «Wie selbstständig sind die verschiedenen Abteilungen der UVEK und wie kann man sich die Organisation vorstellen?»
Antwort von Doris Leuthard: Das Departement ist ein sehr komplexes Konstrukt, bei welchem - falls es zu Unstimmigkeiten zwischen zwei verschiedenen Abteilungen der UVEK kommt - es am Bundesrat bzw. der Bundesrätin liegt, die Entscheidung zu treffen.
Im weiteren Verlauf der Diskussion wollten die Schülerinnen und Schüler wissen, inwieweit Gretas Forderungen, die auch in der Schweiz während der Schüler-Demos vertreten worden sind, überhaupt umsetzbar sind und ob ältere Menschen in Bezug auf das Klima für jüngere Generationen entscheiden können und überhaupt dürfen. Frau Leuthard gab darauf eine Antwort.
Schliesslich wurde Frau Leuthard gefragt, ob sie glaube, dass der der Klimawandel für uns eine reale Gefahr sei oder einfach etwas, woran man momentan im Wahlkampf nicht vorbeikomme, wenn man gewählt werden wolle.
Frau Leuthard antwortete hier ausführlicher, was sich so resümieren lässt: Diese Fragen seien sehr wichtig. Es gebe neben dem Klimawandel aber auch noch viele andere aktuelle Themen, die momentan und während des Wahlkampfes stark untergehen würden.
Frage von Debora Fernandes Martins: «Welche Art von Klimapolitik benötigen wir in der Schweiz (bzw. auch in der EU), sodass die langfristig positiven Folgen für die Wirtschaft überwiegen? Sollte die Schweiz mehr in den Klimaschutz investieren?»
Antwort von Doris Leuthard: Jeder solle sich selber kontrollieren und bewusster einkaufen und leben. Sie sehe die Zukunft in den Elektromobilität und in der allmählichen Abschaffung von Ölheizungen. Zudem würde sie das Fach “Umwelt” an Schulen begrüssen, in dem gelehrt werde, wie wir den Klimawandel stoppen können. Die Zwei-Grad-Marke betrachte sie als realistisches Ziel; 1,5 Grad werde ihrer Meinung nach extrem schwierig zu erreichen sein.
Genderfragen
Abschliessend ging es noch um die Rolle von Frauen in der Politik, ein sehr aktuelles Thema angesichts Quotenregelung in manchen Wirtschaftsbereichen einerseits und einem Parlament, das bei den letzten Wahlen jünger und weiblicher geworden ist.
Fragen von Achim Greter und Jan Hary: «War Ihre Bezahlung im Bundesrat immer gleich wie die Ihrer männlichen Kollegen?»
Antwort von Doris Leuthard: Ja, die Bezahlung sei immer gleich gewesen. Jedoch sei von ihr als Frau erwartet worden, in der Öffentlichkeit sowohl äusserlich wie auch inhaltlich überzeugend zu wirken. Dazu habe gehört, immer passend gekleidet zu sein.
Eine positive Bilanz - Bemerkungen von SchülerInnen der KSR
Nina Morais ist sehr positiv: »Ich bewundere Frau Leuthard für das, was sie in der Schweizer Politik alles getan und erreicht hat. Auch wenn ihr Privatleben manchmal zu kurz gekommen ist, hat sie sehr hart für ihr Land gearbeitet. Insbesondere bewundere ich ihren Mut, sich als Frau in der Politik durchzukämpfen, auch wenn, wie sie uns sagte, Frauen in der Politik Exotinnen sind. Doris Leuthard ist eine sehr sympathische Frau und es hat Spass und Freude gemacht, ihr Fragen zu stellen und ihr zuzuhören.
Auch Lisa Stirnimanns und Chiara Webers Bilanz sieht sehr positiv aus: «Frau Leuthard hat die Fragen zu unserer Zufriedenheit beantwortet und hat uns zu weiterem Nachdenken angeregt. Sie öffnete uns noch stärker die Augen bezüglich der genauen Abläufe in der Politik und uns wurde bewusst, wie stark ihr Beruf als Bundesrätin sie in ihrem Privatleben einschränkte. Eine Aussage, die uns sehr berührt hat, war die Beschreibung ihres schönsten Erlebnisses in ihrer politischen Karriere: obwohl sie viele bedeutende Personen getroffen hat, zögerte sie nicht, ihre Begegnung mit Kindern aus Bénin, Afrika, als die schönste Erinnerung zu beschreiben.
Alles in allem war es ein sehr interessanter und gelungener Tag, an dem wir viel gelernt haben. Vielen Dank für die Organisation und Moderation, Herr Fallegger! Wir freuen uns auf ein eventuelles Wiedersehen mit Frau Leuthard!
Jugend und Politik im Dialog. Persönliche Begegnungen - spannende Gespräche - bleibende Erfahrungen
Begegnung mit Politfuchs Konrad Graber
Im Vorfeld der Begegnung mit interessanten und erfahrenen PolitikerInnen konnten Schülerinnen und Schüler der Kantonsschule Reussbühl (Klasse 5f und andere) eine interessante «Politik-Kurzlektion» mit dem abtretenden Luzerner CVP- Ständerat Konrad Graber erleben.
David Frank (5c) schildert das Treffen so: Zu Beginn des Meetings berichtete Ständerat Graber über seine Arbeit im Ständerat und welche Herausforderungen damit einhergehen. Er beschrieb die Schwierigkeit, Mehrheiten und Kompromisse zu finden, die es braucht, um ein Gesetz durchzubringen. Konrad Graber demonstrierte uns dies am Beispiel der AHV-Steuerreformabstimmung: Die Anliegen der Rechten (Steuerreform) und die Anliegen der Linken (die AHV-Finanzierung) wären allein nicht mehrheitsfähig gewesen, aber gemeinsam - in einem Kompromiss verhandelt - kamen sie klar durch. Es gab jedoch auch Kritik in einigen Kreisen, da die beiden Vorlagen in leicht veränderter Form schon einmal abgelehnt worden waren und einige den Kompromiss daher als Kuhhandel bezeichnet haben. Darauf hatte Herr Graber jedoch stets geantwortet, dass es immer noch ein gerechter Handel sei.
Danach ging Herr Graber auf den geplanten Umbau des Luzerner Bahnhofs ein, der zu einem grösseren Durchgangsbahnhof umgebaut werden soll. Und erklärte, wie er die Finanzierung dieses Projekts durch den Ständerat aufgleiste: Da Luzern allein mit seinen zwei Ständeratssitzen und neun bzw. damals zehn Nationalratssitzen keine Mehrheit im Parlament hatte, mussten Herr Graber und andere Luzerner Vertreter die nicht direkt betroffenen Kantone von der Nützlichkeit des Bahnhofs für die ganze Schweiz überzeugen. Herr Graber sagte dazu: «Ich musst zuerst die Basler und Tessiner überzeugen. Sie können ja mit dem Tiefbahnhof auch von kürzeren Reisezeiten in die jeweils anderen Kantone profitieren.» Die Zürcher konnte er mit demselben Argument auch noch auf seine Seite holen. Mit deren Unterstützung brachte er die Projektierung mit einer 100 Mio-Franken-Finanzierung durch, was den Bau des neuen Bahnhofs so gut wie sicherstellte, da die Eidgenossenschaft sonst 100 Mio. Franken verschwendet hätte.
Wie wichtig Ständeräte sind, zeigte er zum Abschluss auch noch am Beispiel der Kandidatur des jetzigen SVP-Bundesrates Ueli Maurer und des Ex-Bundesrates Christoph Blocher für den Ständerat: Sie waren aufgrund des Majoritätsprinzips, nach dem die Ständeräte mit einer 50%-Mehrheit gewählt werden müssen, gescheitert. Und das kommentierte Graber - bezugnehmend auf den Stellenwert eines Ständerates - mit einem Augenzwinkern: diese hätten es «nur» in den Bundesrat geschafft, nicht aber in den Ständerat.