Freifach Politik

Montag, 26.5.2014, Europaforum, Wachstumspolitik


Regelmässig sucht sich das Freifach Politik Anschauungsunterricht direkt vor Ort.  In der  letzten Maiwoche 2014 war es wieder soweit:  Der Auftakt für den Themen-Nachmittag „Wachstumspolitik“ erfolgte an einer der Hauptschlagadern des innerstädtischen Verkehrs in Luzern, wo im Paulus-Quartier der Innenstadt- und der Fernverkehr exemplarisch aufeinander treffen.

Die Freifachteilnehmer staunten: Auf nur 2 Bahngleisen meistert man in Luzern den gesamten Schienenverkehr - und nur 20 Meter daneben sieht man am Beispiel Obergrundstrasse, dass die Verkehrsstrategie der 50er-Jahre noch komplett anders aussah. Damals holte man mit Autobahnen die Automobilisten direkt in die Städte hinein! Ausgerüstet mit den Statistiken der Verkehrsbeobachtung machte sich die Freifachtruppe auf vom Paulusplatz zum Europaforum, um über die Verkehrsvisionen und Pläne der Zukunft mit Experten aus Politik und Praxis zu diskutieren.

Die Begegnung mit Tiefbahnhof-Initiant Pius Zängerle, Kantonsrat CVP, und Roland Meier, Chef Infrastruktur VIF, wurde mit der folgenden ersten Frage der Freifächler eröffnet: „Hat man ein griffiges Gesamtkonzept für die Verkehrsprobleme?“ Dies fragte Ahatian Manikkapoody. „Ja, es  ist ein solches im Luzerner Aggloprogramm drin“, versicherte Zängerle, „doch es braucht eine Trennung von Tiefbahnhof und Bypass in der konkreten Umsetzung für die Realisierung.“ Auf die Frage, ob die Vision „Tiefbahnhof“ auch technisch machbar sei, konnte Experte Roland Meier diverse Varianten aufzeigen und verriet: “Wir haben enorm viele Varianten  geprüft und seriös die beste davon ausgewählt.“  Und: “Die Bahnhofkapazität bezüglich des Zugaufkommens (800 pro Tag) bleibt auch während des Umbaus bleibt, ähnlich wie in Zürich heute, aber wir peilen eine bessere Lösung an. So geht der Umbau ohne ‚Einbussen‘ vonstatten. Wir bauen 1-2 Ersatzgeleise, aber der Betrieb läuft weiter!“ Dies verspricht Roland Meier.

Die vorausblickende Schlussfrage, welchen Wunsch die Initianten hätten, wurden durch Pius Zängerle sehr konkret beantwortet: Die Abstimmungen und die Bewilligungsverfahren bis 2019/2020 wären für ihn ein Wunschszenario. „So weit müsste man es bringen, damit für 2028 der Startschuss für den Bau des Projekts gegeben ist. Doch das liegt dann in der Hand einer anderen Generation!“ appellierte der CVP-Kantonsrat schmunzelnd an die Eigeninitiative der Jugendlichen. Zängerle und Meier schlossen mit einem Aufruf an eine engagierte Jugend: „Es liegt an euch, die Zukunft mitzugestalten!“

Die Schüler-Prognosen zum Abschluss der Begegnung waren ausgesprochen positiv: Die Götter der Technik und die Politik-Sachverständigen können überzeugen, dass der Wurf gelingt! In der Schlussabstimmung in der Runde waren ca. 90 % von der technischen Machbarkeit, 80 % der Befragten ebenso von der finanziellen Machbarkeit, und auch noch 70 % von der politischen Machbarkeit überzeugt.

Und welche bleibenden Eindrücke blieben bei den Schülern aus der Begegnung? Hier eine Auswahl von Statements:

Nicolas Rimoldi: Als Mitglieder des Freifachs Politik nahmen wir am Europaforum in Luzern teil. Die Initianten des Tiefbahnhofs, Pius Zängerle und Roland Meier, stellten uns diesen vor.

Laut Roland Meier, Projektleiter des Tiefbahnhofs, sehen 60 % der Luzerner den Verkehr als grösste Baustelle des Kantons. Nun ist die Politik gefordert, effiziente und langfristige Lösungen auszuarbeiten. Der geplante Tiefbahnhof scheint optimal. Doch geniesst eine Entlastung der Luzerner Verkehrsprobleme beim Bund nicht höchste Priorität. Dies zu ändern fordert viel Einsatz und Überzeugungstalent unserer Politiker.

Josh Hangartner und  Pascal Gasser: Luzern kommt verkehrstechnisch immer mehr an seine Kapazitätsgrenzen. Der private Motorenverkehr hat in den letzten Jahren enorm zugenommen und das Bild von blockierten Strassen und Staus ist leider immer mehr allgegenwärtig. Die Alternative scheint simpel und lautet: Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Geschehen soll das durch den Bau eines Tiefbahnhofs in der Stadt Luzern sowie der Schaffung neuer Schienenwege Richtung Ostschweiz, Sursee und Zürich. Interessant an der ganzen Sache ist vor allem der geplante Tunnel unter dem Luzerner Seebecken hindurch. In der Bauphase soll der See deswegen stellenweise trockengelegt werden. Kostenpunkt des gesamten Projektes, 2.4 Milliarden Franken. Die Kosten würden durch den BIF, den Bahninfrastrukturfonds, gedeckt werden. Dieser Fonds ist das Resultat der Volksabstimmung zur Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur (FABI) vom vergangenen Februar.

Fatos Krasniqi: Die Begegnung mit Pius Zängerle und Roland Meier im Europaforum war sehr informativ. Für uns stand dabei das grosse Projekt Durchgangstiefbahnhof im Mittelpunkt. Ein Projekt, das vor allem durch seine Kosten beeindruckt, welches aber durch die Wichtigkeit gerechtfertigt scheint. Mich persönlich überzeugt das Projekt und mir ist die Notwendigkeit durch eigene Erfahrungen (Frequenz der Züge usw.) bewusst. Ich verstehe aber auch die Bedenken der Gegner, dass - von den immensen Kosten abgesehen - die Behinderung des Schiffsverkehrs und der Lärm nicht zu unterschätzende Probleme sind.

Lea Frey: Die Vision Durchgangstiefbahnhof überzeugt mich, da ganz klar bei der Bevölkerung ein Bedürfnis nach mehr bzw. besserem ÖV steht. Der Durchgangstiefbahnhof verspricht nicht nur dies, sondern auch attraktivere Reisezeiten und bessere Verbindungen, die z.B. für angehende Studentinnen und Studenten gelegen kommen. Auch Reisende können sich auf den Durchgangstiefbahnhof freuen, da Reisezeitverkürzungen in Aussicht gestellt werden. Dank dem angenommenen Infrastrukturprojekt „FABI“ haben wir eine Möglichkeit, die Finanzierung des Durchgangstiefbahnhofs zu realisieren. Und damit haben wir eine genauere Übersicht der Kostenverteilung. Allerdings muss noch der Bund von der Priorität dieses Projekts überzeugt werden.

Text-Zusammenstellung: Christian Fallegger, Leiter Freifach „Politik und Demokratie lernen“

Ergänzung zum Bericht über die Exkursion ins Bundeshaus in Bern, Dienstag, 11.12.2012

Interview mit dem stellvertretender Bundeshausleiter der TA-Redaktion, David Schaffner. 

Das Interview führte Pascal Gasser, 4K.

David Schaffner ist stellvertretender Leiter der Bundeshaus-Redaktion von Tagesanzeiger und Bund. Er studierte Germanistik, Philosophie und Publizistik in Zürich und schloss mit einer Arbeit über politische Rhetorik in Internet-Diskussions-foren ab. Nach dem Aufbau mehrerer Kultur-Websites arbeitete er als Innerschweizer Korrespondent für den Tagesanzeiger, als Bundeshauskorrespondent für Facts und als Ressortleiter Inland für die Gratiszeitung ch.

Welche Alltagsarbeit erwartet einen Bundeshaus-Journalisten?

Zuerst erklärte Herr Schaffner, dass er Alltag und Sessionen trennt. Alltag ist für ihn alles im Büro: Artikel zu schreiben, Zeitungen zu lesen, usw. Während den Sessionen herrscht in der Tagesanzeiger-Redaktion Hektik pur: Die Redaktoren müssen Pläne erstellen, wer wo wann berichtet und was interessant ist. Zudem muss man die Anforderungen der Leserinnen und Leser erfüllen: Was interessiert diese? Geschicke Schwerpunktsetzung ist verlangt. Ausserdem man sollte keine Details über die kleinen Abstimmungen der Session verraten.

Herr Schaffner machte uns deutlich, dass der Journalistenberuf durch das Internet schwieriger wurde, da man die neusten Informationen bereits nach fünf Minuten im Internet nachlesen kann.

Die Stärke des Tagesanzeigers besteht in der vertieften Berichterstattung: Durch die genaue Analyse der Bundesrats- und Kommissionssitzungen, die z.T. durch Pressekonferenzen ergänzt werden, kann sich der Journalist besser in die getroffenen Entscheidungen hineinversetzen und somit die Innensicht des Bundeshauses darstellen, was mit aufwändiger Informationsbeschaffung verbunden ist.

Haben JournalistInnen persönliche Beziehungen zu ParlamentarierInnen?

Man kennt die meisten ParlamentarierInnen durch die Kommissionssitzungen und den Kontakt über Telefon oder SMS. Man trifft auch viele PolitikerInnen, weil sich akkreditierte JournalistInnen beim freien Bewegen durch das Haus mit den Räten so auch kleine Konversationen starten können.

Muss man als Journalist die Themen manchmal regelrecht zusammensuchen, z.B. in der Frühlingspause, wenn keine Sessionen sind?

Bei den Pausen muss man im Vorfeld sehr gut planen und dann längerfristige Themen lancieren, dies ist jedoch meist nicht einfach.

Wie sehen die Arbeitszeiten von JournalistInnen aus?

Es ist sehr unregelmässig, ich fange meist um 07.00 Uhr an und arbeite bis ca. 19.00 Uhr. Am Morgen ist zunächst viel Lektüre von anderen Medien angesagt, dann werden Themen recherchiert, in den Redaktionssitzungen diskutiert, ehe dann vielleicht noch völlig neue brisante Themen auftauchen, welche dann die ganze Planung über den Haufen wirft.

Gibt es einen typischen Karriereverlauf?

Nein, der Beruf des Journalisten ist nicht wirklich geschützt, trotz der Bezeichnung BR (=Berufsregister) und es gibt sehr unterschiedliche Zugänge zu diesem Metier. Es ist zu empfehlen, ein allgemeinbildendes Studium zu absolvieren. Viele Journalisten kommen mit einem Geschichtsstudium ins Metier. Ich empfehle, dass vorher ein Wirtschafts- oder Jusstudium zu absolvieren ist.


David Schaffner